Kona 2011: Kernschmelze, Dritter Teil







Fast alles in meiner Vorbereitung auf den dritten Versuch, das Rennen in Kona endlich zu knacken, lief nach Plan. Auch das Rennen selbst lief in den ersten sechseinhalb Rennstunden gut. Doch kam dasselbe raus wie bei den beiden vorherigen Versuchen: Die Kernschmelze.

Aber fangen wir von vorne an:

Um mein nicht wegzudiskutierendes Problem mit Hitzerennen anzugehen, hatte ich ordentlich Urlaub angespart und war schon vier Wochen vorm Rennen zu Freunden nach San Diego, Kalifornien geflogen um dort in der Wärme zu trainieren. Auch wenn die Hitze dort viel trockener ist als auf Hawaii, dachte ich, zumindest besser zu fahren als mit einer Vorbereitung im kühlen deutschen September. Und es sah gut aus. Die drei Rennen, die ich in San Diego zur Vorbereitung machte, liefen außergewöhnlich gut. Beim Superfrog Triathlon verpasste ich als vierter knapp eine kleine Refinanzierung der Reisekosten. Die beiden anderen Rennen, die San Diego Triathlon Classic und das Clubrennen des San Diego Tri Club im September konnte ich gar gewinnen. Bei allen Rennen lief das radeln sehr gut und je länger ich drüben war, desto besser wurde auch das Laufen. Mit je drei Schwimmeinheiten in der Woche war zum Ende sogar mein Schwimmen wieder auf dem Damm, als es am 1. Oktober weiter nach Big Island ging. Und auch dort hatte ich erstmals auch bei den Läufen auf dem Ali’i Drive in Hitze und Schwüle ein gutes Gefühl. Die Radausfahrten auf dem Queen Kaahumanu Highway waren super, das Schwimmen im Pazifik wie immer ein reines Vergnügen.


Am Ende der zweiwöchigen Taperphase stand dann das Rennen am 8. Oktober.
Nervös wie immer suchte ich im Gewimmel der 1.700 Beinpaare den richtigen Startplatz. Als um Punkt sieben Uhr der Startschuss fiel, hatte ich richtig Spaß! Irgendwie kam ich um die berüchtigte Schlägerei im Startbereich herum und konnte mich auf ein betont lockeres Schwimmen konzentrieren. Nur am Wendepunkt zur Hälfte der Strecke hielt ich zunächst auf das falsche (Presse-)Boot zu und musste mich so wieder in die Masse der Schwimmer zurückkämpfen. Das waren aber auch allenfalls fünf kritische Minuten. Der Rückweg zum Kona Pier verlief dann ruhig bis auf eine fast magische Begegnung mit einer Gruppe von Delphinen. Die hatten sich offensichtlich anschauen wollen, was diese riesige Horde Zweibeiner so früh am Morgen in ihrem Zuhause so vor hat. Unglaublich!




Als ich die Treppe hinauf in die zweite Wechselzone betrat, waren 1:04:52h vorbei und ich was es sehr zufrieden. An einen Tag, an dem wohl ordentliche Strömung herrschte, meine bisherige Bestzeit um zwei Minuten unterboten. So konnte es weiter gehen.

Um schon auf dem Rad meine Hitzeschwäche zu adressieren zog ich ein langärmliges Radtrikot an und der Spaß konnte beginnen. Zu Beginn war mir sogar richtig kalt an den Armen, wo ich das Trikot ständig mit Wasser benetzt hielt. Betont locker ging ich die Einrollrunde durch die Stadt und den Kuakini Highway an und nach wenigen Minuten erreichte ich die Steigung an der Palani Road, die mich hoch auf den berühmten Queen Kaahumanu Highway führen sollte. Auf dieser kurzen Steigung überholte mich mit Damien Favre-Felix jener Franzose, der als einziger Amateur beim Ironman Florida 2010 eine schnellere Radzeit gefahren war als ich. Kurz überlegte ich, ob ich ihn als Pacemaker nutzen sollte, entschied mich allerdings dagegen. In Florida hatte er meine 4:35h um glatte 12 Minuten unterboten, deshalb sah ich hier ein zu großes Risiko, zu überpacen. Auch in Kona sollte er mit 4:30h an diesem Tag die mit Abstand schnellte Radzeit aller Amateure fahren – am Ende 19 Minuten schneller als ich.
Oben auf dem Highway fand ich – ich orientierte mich an meiner Ziel-Wattleistung von 250 Watt - schnell einen guten Rhythmus.


Locker fühlte sich das an, aber das tut es ja immer nach einen so langen Training und einer guten Taperphase in den ersten zwei Stunden auf dem Rad. Trotzdem konnte ich erstaunlich locker an einer fast nicht enden wollenden Perlenschnur von Athleten vorbeifahren. Leider war das nicht immer einer Perlenschnur in der die Perlen den Mindestabstand von 8 Metern einhielten. Es sah teile mehr nach einer Hand voll Murmeln aus, als eine Perlenschnur. Glücklicherweise war meine Form so gut, dass keine dieser Gruppen sich an meinem Hinterrad festbeißen konnte, wie das 2007 der Fall gewesen war.
Wie ich aber zu meiner Zufriedenheit feststellen konnte, waren die Zelte, in denen man seine Zeitstrafen wegen Windschattenfahrens absitzen muss, gut gefüllt. Die Schiedsrichter leisteten zumindest teilweise gute Arbeit.

An jeder der alle 10 Meilen aufgestellten Verpflegungsstationen wurde nun dieselbe Prozedur durchgeführt: Je eine Flasche Isogetränk und eine Flasche Eiswasser greifen. Dann mit dem Eiswasser Trikot und Hose benetzen, damit die Verdunstungskälte ihre Arbeit leisten kann. Wenn möglich noch ein paar Energiegels abgreifen und dann weiter.

So lag die Durchschnittsgeschwindigkeit in der ersten Rennstunde bei knapp 41 km/h, nach zwei Stunden, am Fuße des Anstiegs hoch zum Wendepunkt nach Hawi waren es immer noch gut 40 km/h und meine Beine fühlten sich gut an. Das konnte man allerdings von meinem Rad nicht sagen, denn da war was falsch: Eine der Klemmschrauben, die den Aeroauflieger am Lenker fixieren, hatte sich gelöst und war abgefallen. Damit war der linke Auflieger nur noch mit einer Schraube fixiert und schlackerte, wenn ich ihn nicht festhielt, wie wild in der Gegend herum. Mit nur noch einer Fixierschraube, die sich zudem auch zu lösen begann, konnte ich den linken Arm ab jetzt nicht mehr vom Aerolenker lösen, ohne Gefahr zu laufen, bei Verlust der schraube, den kompletten Auflieger zu verlieren. In der Ebene war das kein Problem, im Anstieg nach Hawi hingegen schon, weil dort ein gehöriger Wind wehte, den man sicher hätte in Oberlenkerposition besser bekämpfen können. Ich hingegen kämpfte eher mit meinem Lenker als gegen den Wind. Am Wendepunkt dann schrei ich wie wild nach einem Mechaniker, nur um festzustellen, dass es keinen stationären Radservice gibt. Von den wohl vorhandenen mobilen Servicemotorrädern habe zumindest ich auch keines gesehen. Damit begann ich die Abfahrt von Hawi nach Kawaihae mit einem sehr mulmigen Gefühl: Dieser Teil der Strecke ist berüchtigt für deine Schwerwinde, die auch mal gut 90 km/h erreichen können. Schon im Vorfeld hatte ich eigentlich ein zahmeres Vorderrad montieren wollen, aber keins mehr auftreiben können. Jetzt kam zu meinen Zipp 808 Vorderrad noch die Tatsache, dass ich den Lenker nur auf der rechten wirklich fest halten konnte. Glücklicherweise aber waren die Seitenwinde nicht so stark wie sonst und ich erreichte Kawaihae ohne größere Probleme.
Was mich zu diesem Zeitpunkt richtig wütend machte, waren die mir auf der Abfahrt entgegen kommenden Gruppen von Athleten, die sich die Arbeit gegen den Wind “gerecht” aufteilten. Schon in der Auffahrt nach Hawi war in einem Bereich angekommen, in den die Athleten nur noch vereinzelt, niemals in Gruppen unterwegs waren. Vielen Dank, liebe Mitstreiter.

Da ich wegen der mechanischen Probleme den Anstieg nach Hawi nicht hatte mit solchem Druck fahren können, wie eigentlich angedacht, hatte ich einige Körner sparen können, die ich nun, wo es nach Kawaihae wieder auf den Queen Kaahumanu Highway ging, in die Waagschale werfen wollte. Hier, ab Radkilometer 120, sagt man beginnt das Rennen erst wirklich. Und mein Plan war, es von hier aus für die letzten eineinhalb Radstunden noch mal richtig krachen zu lassen. Der lockere Auflieger war hier auch kein Problem mehr, hier geht es allenfalls mit etwas Gegenwind eigentlich ziemlich flach vorwärts. Also schraubte ich die Leistung wieder gen 240/250 Watt hoch und sammelte einen Athleten nach dem nächsten ein. Hatten sich vielleicht auch diese Konkurrenten vielleicht auf dem Weg nach Hawi in einer Gruppe verstecken können, so kämpfte meine (Rad)Leistungsklasse hier jeder für sich allein. Es lief zu diesem Zeitpunkt so gut, ich konnte es kaum glauben. Leider hielt dieses Gefühl nur vielleicht 20 Minuten an, dann meldete sich die Innenseite meines rechten Oberschenkels mit Krampfansätzen zu Wort. „Was zur Hölle!“, dachte ich und drosselte sofort meine Leistung. Alle 10 Meilen 0,7 Liter Isoplörre, 3 Energieriegel und irgendwas um 8 Energiegels hatte ich eingeworfen, war gefühlt 100km locker gefahren und trotzdem Krämpfe? Sollte das ein erstes Anzeichen dafür sein, dass ich doch zu viel Flüssigkeit und damit Salz verloren hatte. Viel weiter konnte ich nicht denken, denn ich war vollauf damit beschäftigt, diese Krampfansätze irgendwie zu bekämpfen. Die einzigen Mittel, die blieben waren dehnen und das Bei mit Eiswasser kühlen. Zwei Verpflegungsstationen und 20 Kilometer später hatte sich der Oberschenkel beruhigt, aber an eine Leistung von 240 Watt war nicht zu denken. Also konzentrierte ich mich in der letzten Radstunde darauf, ausgeglichen um 200-220 Watt zu fahren und mich gut zu verpflegen. Zum Ende der Radstrecke hatte ich so um 5-6 Liter Isogetränk getrunken, dreieinhalb Energieriegen gegessen und 10 Energiegels in mich hineingedrückt.
Als ich also rund 20 Kilometer vor dem Ziel im Schadensbegrenzungsmodus angekommen war, erspähte ich bei einem Blick nach hinten den leuchtend grünen Helm meines Teamkollegen Alex, den ich schon länger erwartet hatte. Er hatte ja schon am Wendepunkt in Hawi drei der fünf Minuten Rückstand, die er nach dem Schwimmen gehabt hatte, gut gemacht. Seine Aufforderung allerdings, mitzufahren, musste ich dankend ablehnen. Das Bein hatte sich zwar völlig beruhigt, ich wollte mir aber auch die letzte halbe Stunde des Radparts nicht den Rhythmus diktieren lassen.
Und die Wetterlage, die ich erspähte, als die ersten Ausläufer von Kailua-Kona in Sicht kamen, bestärkte mich in der Richtigkeit dieses Plans: Wie bei meinen zwei Rennen zuvor war kein Wölkchen über der Stadt zu erkennen. Jeden Tag in der Woche war gegen Mittag eine Wolkendecke an die Küste gezogen, nur an diesem Samstag nicht. Deja vu Nummer 1, denn sowohl 2007 als auch 2008 hatte ich hier dasselbe abgespielt. Es stand also wieder ein heißer Lauf bevor. Diesmal aber war ich besser vorbereitet und hatte wegen des lockeren Aufliegers auf dem Rad mehr Kräfte gespart als gedacht. Ich freute mich also fast aufs laufen, sofern man das nach 180 Radkilometern überhaupt kann. Die 180 Radkilometer hatte ich dann nach knapp 4:49h absolviert. Das war zwar etwas langsamer als bei diesen Bedingungen angedacht, aber noch voll im Rahmen.


Als ich dann am Eingang der Wechselzone meinen treuen Hobel in die Hand eines Helfers gab, war der Moment der Wahrheit gekommen: Wie fühlten sich die Beine an. Ja, es lief wie auf Eiern, aber die Muskulatur fühlte sich gut an.
Im Zelt tauschte ich die Anti-Überhitzungs-Radklamotten gegen die Anti-Überhitzungs-Laufklamotten. Fühlte sich ein langes Radtrikot bei 30° seltsam an, so sieht das Laufoutfit auch noch denkbar armselig aus. Mit e weißem, langärmligen Shirt, Schirmmütze mit angepinntem Lappen zum kühlen und benetzen des Nackens sowie mit Einmal-Plastikhandschuhen, in die Ein gesteckt werden kann, sieht man aus wie ein Freak. Andererseits ist das ganze Rennen hier eine einzige Freakshow. Damit war ich also genau richtig hier! Und ums Aussehen ging es mir hier gar nicht, wollte ich hier doch bloß ein gutes Rennen machen.Danach fühlte es sich auch zunächst an. Ich griff am Ausgang der Wechselzone so viel Wasser wie möglich und schüttete es mir über Kopf und Arme. Die ersten Meter hoch zum Hot Corner an der Ecke Palani Road/Kuakini Highway liefen so gut, ich hatte für Michelle, die sich dort positioniert hatte, sogar einen Gruß und ein Lächeln bereit.


Der erste Kilometer entlang de Kuakini Highways lief in der geplanten Anfangsgeschwindigkeit von 4:35min/km auch gut. Unten am Ali’i Drive angekommen, hätte ich zwar lieber einen Erdbeer-Smoothie im Lava Java geschlürft also weiter Richtung Süden zu rennen, aber das war nicht der Plan für diesen Tag. Fast urplötzlich aber, als die Bebauung zwischen der Straße und dem Meer einsetzte und damit der kühlende Wind wegfiel, war es vorbei mit dem Rennen. Innerhalb von wenigen hundert Metern verlangsamte sich mein Schritt und mir wurde heiß. Dann schummrig vor Augen, später schwindelig. An laufen war jetzt nicht mehr zu denken. Und das schon nach nicht mal drei Kilometern. Um nicht von links nach rechts zu taumeln, musste ich mich sogar ein paar Mal an Laternenpfosten anlehnen, einmal sogar hinsetzen. Wenn ich das hier so schreibe, muss das ausgesehen haben, wie Macca bei seinen ersten Starts in Kona. Einfach erbärmlich. Besonders erbärmlich, weil jeder ja denken muss, hier hat sich jemand schon auf dem Rad sowas von abgeschossen, dass beim Laufen nix mehr geht. So war es aber nicht. So weit zu denken allerdings war nicht wirklich in der Lage. Ich dachte bloß an eins: Aufgeben oder weitermachen? Aufgeben aber hätte bedeutet, entweder die drei Kilometer zurück zur Wechselzone zu laufen oder sich von einem Krankenwagen abholen zu lassen. In jedem Fall aber musste ich für Kühlung sorgen. Und die nächste Kühlung konnte die nächste Verpflegungsstation bringen. Die lag aber nun 500 Meter weiter an der Strecke. Also schleppte ich mich dorthin und machte Pause. Kippte becherweise Wasser über mich aus und Eis in Hose und Oberteil. Mensch, fühlte sich das gut an. Zwei Mal gab es an dieser Station Eis und zweimal war das meins! Irgendwie ergriff mich dann ein Art Automatismus und es ging – wenn auch sehr langsam – vorwärts. Das war jetzt Deja vu Nummer 2, denn 2008 war es mir genau so ergangen. Bloß hatte ich damals eine verdammt gute Erklärung: Ich hatte nach dem Qualifikationsrennen in England Anfang September krankheitsbedingt nicht trainieren können. Dieses Mal aber war ich so gut vorbereitet wie nie und trotzdem lief es schief.
Mein Rennen war also schon nach drei Laufkilometern vorbei und ich war so richtig sauer. Auf mich, auf das Rennen und irgendwie auf die Welt als Ganzes. Und ich war enttäuscht, klar!
Trotzdem ging es irgendwie weiter, an jeder Verpflegungsstation mit viel Cola, Isoplörre und Eis. Viel Eis!
Als ich dann bei Kilometer 7 an einem der Rennfotografen vorbeikam, war es Zeit für Deja vu Nummer 3, das “Es-hat-nicht-sein-sollen”-Bild.


Nach dem Wendepunkt an der blauen Kapelle dann zeigten meine Bemühungen um Kühlung erste Wirkung. Ich begann langsam wieder zu traben. Trotzdem: Das Rennen war gelaufen! 75 Minuten für die ersten 10 Kilometer, das war knapp eine halbe Stunde zu viel. Aber ich hatte versprochen, diesmal den Anstieg die Palani Road hinauf zu joggen und so wurde der Plan gefasst, diesen Tag doch noch irgendwie zu einem akzeptablen Ende zu bringen. Als mich Michelle dann am Fuß dieses Anstiegs erspähte, stand ihr die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. 105 statt der geplanten 75 Minuten für die ersten 10 Meilen, hatten ihr einen gehörigen Schrecken eingejagt.
Oben auf dem Queen Kaahumanu Highway angekommen ging es Richtung Norden und es wurde angenehmer: Die Schwüle des Küstenstreifens ist dort oben nicht mehr so extrem, dazu kamen jetzt ein paar schattenspendende Wölkchen. Hier konnte ich dann sogar erstmals wieder ein paar Athleten überholen. Wobei: Darauf kam es nun wirklich nicht mehr an. Für die erste Hälfte des Marathons hatte ich 2:13h gebraucht, au Backe! Andererseits: Wenn ich weiter einen Schnitt von ~5min/km laufen könnte, wäre das wohl der unglaublichste Negativsplit dieses Rennens.

Wenn man nicht mehr wirklich im „Rennen“ ist, hat man ja Zeit für andere Dinge. Also nutzte ich die Gelegenheit, als ich kurz vor dem Abzweig zum Natural Energy Lab zu Kenny Glah auflief zu einem kleinen Schwatz mit einem der Legenden dieses Rennens. Es war seine 27. Teilnahme in Serie. Unglaublich!
Auf der Straße zum Energy Lab war es dann nicht so heiß wie in den vergangenen Jahren und ich konnte zumindest ein paar Kilometer unter fünf Minuten absolvieren. Am letzten Wendepunkt des Rennens im Energy Lab traute ich mich erstmals, über meine in jedem Fall indiskutable Endzeit nachzudenken. Sollte ich in der Lage sein, den 5er Schnitt bis ins Ziel zu halten, könnte es sogar noch was werden mit einem Finish unter 10 Stunden. Also mobilisierte ich noch mal ein paar Kräfte und oben auf dem Highway angekommen folgte der nächste kleine Schwatz, diesmal mit dem Dude, der seine Frau zu einem tollen Rennen coachte! Trotz aller Bemühungen konnte ich dort oben die sub 5min/km nicht halten und gut 8 Kilometer vor dem Ziel war klar, dass es mit sub 10 nichts mehr werden würde. Also machte ich locker – nun denn, so locker wie man denn auf den letzten Laufkilometern bei einem Ironman machen kann.
Und wenn es auf Palani Road bergab geht, ist sowieso Schluss mit „locker“ die 10% schmerzen, egal in welcher Gangart. Auf dem Ali’i Drive und damit den letzten 600 Metern angekommen, erspähte ich Michelle und Leonie, die tapfer ausgeharrt hatten und bedankte mich mit einem schnellen Schmatz bei Michelle bevor es auf die allerletzten Meter ging.
Direkt auf der Ziellinie erlaubte ich mir einen kleines Spaß: An einem Abend mit drei Bierchen hatte mein Gastgeber in San Diego, Flo, gescherzt, ich könne doch auf der Ziellinie den Time Warp aus der Rocky Horror Show aufführen (das ist eine längere Geschichte). So gut es ging gab ich also auf der Ziellinie den Tanzbären.


Schlussendlich war ich damit in 10:01:57h als 475. Athlet ins Ziel gekommen. Mein verkorkster Marathon hatte es gerade noch unter vier Stunden geschafft (3:59:31h), wobei mein Garmin meint, es seien bloß 41,6km und nicht 42,2km gewesen. Außer dem kleinen Späßchen auf der Ziellinie konnte ich im Ziel leider keinerlei Begeisterung versprühen. Nichts. Das war bloß Enttäuschung. Nicht mal, dass ich mich wie in Regensburg 2010 an den eigenen Haaren aus dem Sumpf rausgezogen und die zweite Marathonhälfte doch glatt 30min schneller gelaufen war als die erste, sorgte für Freude. Es dominierte vielmehr, dass die 999. Laufzeit zu Buche stand.



Zusammenfassend: Für dieses Rennen an diesem Ort bin ich offensichtlich nicht gemacht. Als ich nach dem Rennen Pauls Newby-Fraser traf und fragte, was ihr Geheimnis für Kona gewesen sei meinte sie, sie hätte einfach Glück gehabt, für diese Bedingungen gemacht gewesen zu sein.

Komme ich trotzdem noch mal hierher zurück? Der Dude hat ja schon festgehalten, was ich während des Rennens darüber dachte. Er hat allerdings auch dokumentiert, dass er meinte, man solle sich tags darauf noch mal unterhalten. Jetzt sind so einige Tage ins Land gegangen und ich weiss nicht so recht. Kann ich noch mehr machen als dieses Jahr? Ich glaub nicht. Soll ich immer wieder auf einen Renntag wie 2006 hoffen, an dem es nicht wärmer wurde als 26° und mehrfach regnete in Kona. Sollte ich mich lieber auf Rennen in der Kälte verlegen? Skandinavien? Antarktis? Vielleicht.

Trotz allem aber hat dieses Rennen eine auch für mich nicht wirklich erklärliche Anziehungskraft. Sicher liegt’s daran, dass Kona das Rennen ist, mit dem unser Sport seinen Anfang nahm. Das Rennen, was den Sport zu dem gemacht hat, was er heute ist. Es ist ein lebender Teil der Geschichte unseres Sports und jeder der daran teilnimmt wird damit Teil dieser Geschichte. Die WTC nennt es Weltmeisterschaft und sich allein dafür zu qualifizieren macht es zu einer Ehre teilnehmen zu dürfen. Andererseits ist der Mythos des Rennens schon etwas beschädigt. Denn sowohl beim schwimmen als auch auf der Radstrecke ist zu viel los. Wer um 1:00h aus dem Wasser kommt, der segelt zumindest bis Hawi entweder in einer großen Gruppe mit oder muss an ebendiesen Gruppen vorbei. Ersteres ist eine Sauerei, letzteres nur möglich, wenn man eine Radform hat, die für um 4:45h über 180km gut ist. Eine solche Form hatte ich dieses Jahr, bin mir aber sicher, das in fünf Jahren nicht mehr auf den Asphalt brennen zu können. Dann bin ich einfach zu alt. In so einem Peloton sich aber zu einer Zeit um fünf Stunden zu lutschen wird für mich nie in Frage kommen. Wenn also, müsste es in der näheren Zukunft sein oder eben dann, wenn ich zu alt bin, um schneller als 5:30h zu fahren. Wenn man die Zeiten aus diesem Jahr aber anschaut, wär das dann frühestens in 25 Jahren. Ob ich so lange noch dabei bin?



Aloha!

Tim

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