HerbstSPORT: Triathleten auf Abwegen

Während sich nun ein Großteil der Triathleten des TV Bad Orbs in die wohlverdiente Winterpause verabschieden (zwei einsame Seelen bereiten sich noch auf ihr persönliches Saisonhighlight den IRONMAN auf Hawaii vor) steht für Julia und Alexander eine ganz andere Sportart auf dem Plan für den kommenden Herbst und Winter.
Während die beiden im Sommer ihre gesamte Zeit und Energie der Vorbereitung auf die großen Triathlon Veranstaltungen legten (Julia nahm erfolgreich an dem Swissman teil, Alexander konnte sich einen Lebenstraum erfüllen und den Altriman in den Pyrenäen gewinnen), beginnt am 19. September für die beiden die diesjährige Cyclocross Saison.
Cyclocross (oft auch als Radcross oder Querfeldein bekannt) genießt in Belgien und den Niederlanden eine enorme Popularität und zieht ähnlich viele Fans wie bei uns der Fußball an. Leider fristet der Sport bei uns immer noch ein Nischendasein, nur wenige eingeschworene Fans verirren sich überhaupt zu den meist relativ abgelegenen Veranstaltungen. So ist auch die kommende Saison für Julia und Alexander mit viel Fahrerei verbunden: nach Hamburg, Oberammergau, Kleinmachnow, Belgien - jedes Wochenende steht ein anderes Ziel auf dem Plan.
Im Unterschied zu den populären Mountainbike Rennen finden im Cyclocross vermeintlich archaische Rennräder Verwendung. Auf den ersten Blick wirken sie wie klassische Rennräder, auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es sich um eine spezielle Radkategorie handelt: breitere Reifen, bessere Bremsen und stabilere Rahmen sind zwingend erforderlich, um die Kurse zu bewältigen.
Während Alexander sich in seiner Masters 2 Klasse mit gestandenen Radspezialisten wie dem ehemaligen Olympia-Teilnehmer Ralf Berner messen muss, wird Julia in der Elite Klasse auf die aktuelle deutsche Spitze treffen und versuchen, sich dort zu behaupten. 



Wir haben den beiden zum Saisonstart einige Fragen zu ihrer Vorbereitung und ihren Zielen gestellt:

Frage: Die Triathlon Saison ist nun vorbei. Bedeutet das für Euch, dass nun erst einmal Ruhe einkehrt?
Julia: Wenn der normale Triathlet in die Saisonpause geht und anfängt Badminton zu spielen, geht es bei uns erst richtig los. "Wake me up when September ends" sage ich nur. Im vergangenen Jahr sind wir innerhalb der 12 Wochen zwischen Anfang Oktober und Ende September 20 Rennen gefahren - wesentlich mehr, als wir Triathlons im Jahr über machen.
Alexander: Nein, keineswegs. Direkt nach dem letzten Triathlon wurden die Rennräder weggeräumt und die Crossräder aus dem Sommerschlaf geholt. Seitdem wird nur noch im Gelände trainiert, um bis zu den kommenden Rennen an der Radbeherrschung zu feilen.

Frage: Eine wirkliche Pause gibt es für Euch also nicht?
Julia: Nein, nicht wirklich. Aber dadurch, dass Cross eine ganz andere Sportart als Triathlon ist, stellt es einen guten Ausgleich zum Triathlontraining dar. Die Crossrennen sorgten bei mir für ein völlig neues Level an Radbeherrschung, was sich auf dem Rennrad aber auch im täglichen Stadtradverkehr bemerkbar machte.
Die Renndauer selbst ist dabei recht knapp: zwischen 30 und 40 Minuten dauert es. Während dieser Zeit gilt es einen 2-3km langen Rundkurs mehrmals zu durchfahren oder -laufen. Je nach Streckenbeschaffenheit sind hierzu vollkommen unterschiedliche Fähigkeiten erforderlich. Immer jedoch gibt es Passagen, an denen das Rad getragen werden muss - hier kommt Julia und Alexander ihr Lauftraining natürlich sehr entgegen.
Alexander: Wirklich Ruhe halten wir tatsächlich nicht. Vergangenes Wochenende endete die Triathlon Saison mit dem letzten Start in der hessischen Triathlon Liga, kommendes Wochenende startet dann die Crossaison mit dem ersten Rennen in Neunkirchen. Man muss aber sehen, dass wir nicht sonderlich viele Triathlons bestreiten, vor unseren Saisonhöhepunkten im Triathlon gab es ein halbes Jahr keine Wettkämpfe und nur Training. Wir haben also etwas Aufholbedarf.

Frage: Was erwartet Ihr von den bevorstehenden Crossrennen?
Julia: Viel Spaß in Matsch und Regen. Jedes Rennen ist anders und schon zwischen auf dem Kurs warmfahren und dem Rennen können viele Änderungen beim Untergrund stattfinden. Da, wo anfangs noch Gras war, ist dann nur noch Matsch und so.
Alexander: Ja, der Spaß steht bei den Rennen im Vordergrund. Außerdem macht es Spaß immer wieder mit den gleichen Kollegen an den Start zu gehen. In meiner Rennklasse trifft man immer wieder die gleichen 20-30 Verrückten. Da wird man schnell zu einer eingeschworenen Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt.

Frage: Julia, Du startest in diesem Jahr zum ersten Mal mit einer Lizenz. Warum hast Du Dich dazu entschieden nun mit einer Lizenz zu starten und was ändert sich dadurch für Dich?
Julia: Ich werde dieses Jahr keine Blumensträuße mehr nach Hause bringen :-) Nachdem ich in der vergangenen Saison in der Jedermannklasse erfolgreich war, war es Zeit für eine neue Herausforderung auf dem nächsten Level. Ich bin sehr gespannt, wie groß die jeweiligen Lektionen in Demut in der Lizenzklasse sein werden. Aber es wird Spaß machen - und darum geht es ja am Ende!

Frage: Ein Crossrennen geht über ca. 40 Minuten, darüber könnt ihr doch nur schmunzeln, wenn man das mit euren Triathlons, bei denen ihr 10-12 Stunden unterwegs seid, vergleicht.
Julia: Diese 40 Minuten sind ganz böse 40 Minuten. Es geht los mit dem Startsprint, der alles andere als meine Kernkompetenz ist. Und schon nach 3 Minuten Renndauer tun die Beine weh und die Aussicht auf die nächsten 37 Minuten...besser nicht drüber nachdenken. Crossrennen werden am Anschlag gefahren - etwas, was wir aus dem Triathlon höchstens auf der Sprintdistanz kennen. Langdistanz ist Kaffeefahrt dagegen.
Alexander: Ganz extrem war es für mich vor zwei Jahren bei dem Crossrennen in Lorsch. Das Rennen dauerte 30 Minuten aber da es die Tage davor extrem viel geregnet hatte, bestand der Kurs nur noch aus knöcheltiefem Matsch. Nach 10 Minuten dachte ich mir: Ok, das reicht, Du bist nun vollkommen erledigt. - die folgenden 20 Minuten wurden dann wirklich übel…

Frage: Was macht für Euch den besonderen Reiz an dem Crosssport aus?
Julia: Hart, schnell, schmutzig! Man kommt also schneller (und dreckiger) zum Kuchen!
Alexander: Der Sport steht hier noch im Vordergrund, da sich sehr schnell zeigt, wer was drauf hat. Anscheinend machen sich die vielen Selbstdarsteller aus den anderen Sportarten ungern dreckig.

Frage: Crossrennen bedeuten für Euch also eine Fortsetzung Eurer Kindheitserinnerungen. Habt Ihr schon damals gerne im Schlamm gespielt?
Julia: Aber natürlich! Erst im Wald mit meinen Freunden und später lag ich häufig dank meines dicken Ponys genug drin.
Alexander: Na welcher Junge hat das früher nicht getan und damit seine Eltern in den Wahnsinn getrieben. Nun müssen wir den Spaß selbst ausbaden: nach jedem Rennen müssen die Räder geputzt und ein Haufen Klamotten gewaschen werden. Aber das ist es wert.

Frage: Worauf kommt es bei einem Crossrennen besonders an: Kondition, Kraft, Fahrtechnik, Ausrüstung?
Julia: Mit Kraft und Kondition kann man viel erreichen, aber die Technik macht's. Kurven auf Gras und in Spuren zu fahren, macht man nicht alle Tage. Aber jedes Rennen ist anders. Mal mehr Technik, mal mehr Kraft. So gibt es Rennen, die einem mehr oder weniger liegen.
Alexander: Das ist eine wichtige Besonderheit bei den Crossrennen: Zwar dauert ein Rennen immer nur 40 Minuten, aber die können komplett unterschiedlich ablaufen: es gibt Graskurse mit vielen engen Kurven, es gibt Sandkurse, es gibt Matschkurse, und, und, und. Daneben ändert sich ein Kurs auch während eines Tages oder sogar von Runde zu Runde: Kurven werden immer rutschiger, es bilden sich kleine Anlieger, das letzte Grasbüschel, das einem in der letzten Runde noch Halt gegeben hat ist nun weg… Ganz kreativ waren vor zwei Jahren holländische Veranstalter, die haben uns während des Rennens nachträglich noch zwei Hürden in den Weg gelegt.

Frage: Was ist Eurer Meinung nach der größte Unterschied zwischen einem Crossrennen und einem Triathlon?
Julia: Der Aufwand! Crosser sind einfach verrückt! Wer sich jemals über den Aufwand eines Triathlons beschwerte, kann beim Cross viel schlimmeres erleben. Pro Person zwei Räder, Wechsellaufräder mit anderem Profil, Klamotten zum Einfahren, Zwischendurch, für das Rennen und danach. Und das alles für 40min Sport irgendwo in Deutschland. Und Wäsche gibt es nach einem Renntag schon wieder ausreichend für eine Waschmaschine, selten der Fall beim Triathlon.
Alexander: Neben dem Aufwand ist auch die Belastung eine ganz andere. Julia und ich zählen im Triathlon ja schon zu den stärksten Radfahrern in unserer Klasse. Hier im Crosssport bekommt man von den Spezialisten recht schnell gezeigt, wie schlecht man eigentlich ist.

Frage: Wie unterscheidet sich das Training für die Crossrennen von Eurem "normalen" Triathlon Training?
Julia: Was für eine Frage! Im Frühjahr und Sommer sind 6-8-Stunden-Ausfahrten keine Seltenheit. Ab September werden dann nach dem letzten Triathlon die Rennräder und TTs in die Ecke gestellt und die Crossräder rausgeholt. Und ab da heißt es dann im Training quick & dirty.
Alexander: Im Sommer machen Julia und ich immer Scherze, dass wir für Radtouren unter 5 Stunden eigentlich keine Radschuhe brauchen. Nun beim Crossertraining kann man auch mal für 90 Minuten oder sogar weniger im Wald "spielen" gehen und das reicht dann. Da ich beruflich unter der Woche immer unterwegs bin, kann ich ohnehin nur Laufen, da stehen dann auch vermehrt Intervalle und kurze Läufe auf dem Plan.

Frage: Im Rahmen des Deutschland-Cups kommt ihr recht weit herum in der Republik. Kann man Euch auch einmal in der näheren Umgebung in Aktion sehen?
Julia: Alle Rennen sind im Terminkalender vom BDR (www.rad-net.de) zu finden. Und dank des Deutschlandcups kommen wir sogar nach Kleinmachnow und Luckenwalde. Wie auch immer man also "in der näheren Umgebung" definiert. 
Alexander: Das nächste Rennen, bei dem wir starten wird vermutlich die Hessenmeisterschaft in Rosbach sein. Daneben noch  Lorsch und Bensheim und ein Trainingsrennen in Mannheim. Die anderen Veranstaltungen sind leider weiter entfernt.

Frage: Im Rhein Main Gebiet finden in der kalten Jahreszeit zahlreiche sogenannte Cross Duathlons statt. Nehmt Ihr an diesen ebenfalls teil?
Julia: Nur dann, wenn es wirklich kein anderes Rennen gibt. Leider haben die Veranstalter der Cross Duathlons scheinbar Angst, dass wir den Rasen oder Wald kaputt fahren, weswegen die Rennen auf sog. Waldautobahnen stattfinden. Dabei wäre es ein leichtes, die Rennen durch drei zu umfahrende Bäume technisch ein bisschen anspruchsvoller zu gestalten.
Alexander: Die Cross Duathlons sind leider immer technisch vollkommen anspruchslos. Dazu kommt, dass in der Regel Windschattenfahren erlaubt ist. Damit verlieren diese Rennen ihren Reiz für mich. Es gab mal einen Cross Duathlon auf einem "echten" Crosskurs. Der war wirklich lustig, aber leider gibt es dieses Rennen nicht mehr.

Frage: Habt ihr ähnlich wie im Triathlon ein Saisonhöhepunkt oder sind alle Rennen gleichwertig?
Julia: Der Plan ist, die Crossrennen, die zum Deutschlandcup gehören, eher zu fahren als die "normalen" Rennen. Da es aber derzeit kaum Überschneidungen bei den Terminen gibt, sollte es auch so klappen. Den Cup fahren wir vor allem für die Punkte, die für die Deutschen Meisterschaften im Januar zur Startaufstellung gehören. Außerdem könnte es sein, dass ich noch bei einem Superprestige-Rennen in Belgien starte.
Alexander: Leider darf ich nicht mehr bei einem Superprestige in Belgien starten, so dass ich mich auf den Deutschlandcup und die Deutsche Meisterschaften konzentriere. Im letzten Jahr hatte ich mir dort einen ganz guten Platz erkämpft, konnte dann aber leider nicht starten, da sich mein Verein aufgelöst hat und ich keine Lizenz mehr hatte.

Frage: Wie kam es, dass ihr auch in dieser Sportart für den TV Bad Orb an den Start geht?
Julia: Leider gibt es den Verein, für den Alex im vergangenen Jahr startete, nicht mehr. Und da es noch den ein oder anderen Radsportler im TV gab, konnten wir in Absprache mit dem HRV unsere Lizenz über den TV ziehen und mussten uns keinen weiteren Verein suchen.
Alexander: Nachdem sich mein vorheriger Verein, der RVG Bad Orb zum Ende des letzten Jahres aufgelöst hatte, musste ich mich nach einem neuen Verein umsehen. Es gab einige Vereine, bei denen ich unterkommen hätte können, doch als sich herausstellte, dass wir über den TV Bad Orb eine Radlizenz bekommen können, war klar, dass wir dem Verein treu bleiben würden.

Zu guter Letzt: wo kann man erfahren, wie es Euch bei den kommenden Events ergangen ist?
Julia: Natürlich in unserem Blog www.nopogobiker.de.
Alexander: Auf unserem Blog werden wir natürlich unsere Berichte veröffentlichen, dazu auch viele viele Photos. Zusätzlich werden wir auch auf unserer Vereinswebsite zeitnah berichten, wie die Saison verläuft.

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